Theorie oder Praxis? Beides!

LingoBlog Theorie und Praxis in der Logopädie-Therapie

Das Patholinguistikstudium mit zwei Kleinkindern war herausfordernd. Viel Schlaf bekam ich nicht, aber dafür Einblick in eine Sichtweise, die so neu und so einleuchtend für mich war. Das theoretische Wissen konnte ich im Gegensatz zu den meisten meiner Kommilitoninnen (ja, auch hier nur Frauen!) sofort mit meiner Praxiserfahrung verknüpfen. Damit hatte ich einen klaren Vorteil und das sparte viel Zeit in den Prüfungsvorbereitungen. 

Ich lernte, wie man systematisch und theoriegeleitet vorgehen kann in Diagnostik und Therapie, auf was es ankommt bei der Zielsetzung, was evidenzbasiertes Arbeiten beinhaltet und wie man Interventionen evaluieren und interpretieren kann. Das Ganze wurde flankiert von intensiven internen Praktika in Kindersprache und Neurologie und obwohl ich keine externen Praktika machen musste als Logopädin, hatte ich dennoch große Lust, mein neues Wissen in der neurologischen Sprachtherapie in der Praxis zu erproben. So machte ich trotzdem ein Neurologiepraktikum bei den wundervollen Kolleginnen im ZAR Berlin in der Gartenstraße und habe dort mein Aphasietherapie-Handwerkszeug gelernt.

Nun war es Zufall, dass die von mir hochgeschätzte Dysphagiedozentin Dr. Frank bald in Elternzeit ging und der Studiengang dringend eine Vertretung für die Kurse der Sprech- und Schluckstörungen suchte. Liebe Ulrike, danke, dass Du mich damals gefragt hast! An einem Freitag habe ich fünf vor zwölf meine Bachelorarbeit im Prüfungsamt abgegeben und am Montag stand ich zum erstenmal auf der anderen Seite im Seminarsaal. Und obwohl ich alle Materialien aus den Vorsemestern nutzen durfte, war es doch für mich eine Frage der Ehre, alles noch einmal neu zu machen und alle verwendeten Quellen gelesen zu haben. Ich nahm meine Aufgabe sehr ernst und noch nie hatte ich in meinem Leben so viel zu tun.

Nach zwei Jahren war die Elternzeit beendet und ich dachte schon, jetzt müsste ich wieder gehen, da wurde mir eine Stelle angeboten, bei der ich als erfahrene Praktikerin und jetzt auch mit Erfahrung in der Lehre, Studierende bei den supervidierten Therapien innerhalb des Studiengangs betreuen durfte. Zusammen mit der versierten Expertin Judith Heide zeigte ich, wie der patholinguistische Ansatz in der Aphasietherapie umgesetzt wird. Diese Arbeit machte mir großen Spaß. Parallel dazu beschäftigte mich der Aufbau des Swallowing Research Lab von Ulrike Frank. Gemeinsam mit ihr durfte ich einige Bachelorarbeiten betreuen, die sich mit technikgestützter Schlucktherapie befassen. Nun betreute ich selber schon Bachelorarbeiten und mich beschlich schon wieder so ein komisches Gefühl. Da war ja noch viel mehr, was man wissen konnte und ich fühlte mich immer noch nicht vollends gut gerüstet bei dem, was ich da tat.

Also bewarb ich mich um einen Studienplatz an der HAWK in Hildesheim, um meinen Master zu machen. Und das war ein Glücksfall. Hier waren lauter Leute wie ich, die gelernte Therapeuten waren und fest in der Praxis verankert, aber dennoch neugierig auf die Theorie dahinter. Und nicht nur aus der Logopädie, sondern auch aus der Ergo- und Physiotherapie. Je mehr ich studierte, desto mehr Lust hatte ich aber auch wieder, selbst zu therapieren. Ich hatte langsam das Gefühl, gar nicht mehr zu wissen, was ich da eigentlich vermitteln sollte. Also nahm ich Abschied von der Uni Potsdam und ging zurück in die Praxis.

Ich hatte mittlerweile ziemlich klare Vorstellungen davon, wie ich arbeiten wollte: Mit jungen motivierten Patient:innen im neurologischen Bereich, interdisziplinär, einrichtungsbezogen in einem großen Team und das alles in einer schönen Umgebung. Ich bewarb mich im P.A.N.Zentrum der Fürst Donnersmarck-Stiftung. Hier habe ich meine Wirkungsstätte gefunden in einem fantastischen Team mit unglaublich beeindruckenden und auch herausfordernden Patient:innen. Besonders froh macht es mich, dass die Zusammenarbeit mit der Uni Potsdam weiterhin so toll läuft. Jedes Jahr nehmen wir Praktikant:innen aus dem Studiengang Patholinguistik auf. Schon eine ganze Reihe an Bachelorarbeiten haben im P.A.N. Zentrum ihre Umsetzung gefunden und die Fragestellungen gehen uns nie aus.

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