Ich bin Jonka Netzebandt

Jonka Netzebandt CEO von LingoLab

Sprachtherapeutin aus Leidenschaft, Entdeckerin und Forschende. Mein beruflicher Werdegang war eher zufällig und hat mich trotzdem dahingeführt, wo ich immer sein wollte.

Als ich jung war, wusste ich sehr lange nicht, was aus mir werden sollte. Ich habe deshalb viele Jahre erstmal einfach so mein Geld verdient mit Jobs, in denen ich mich kompetent fühlte und an die ich irgendwie über Freunde gekommen war, während ich darüber nachgedacht habe, was ich eigentlich beruflich machen will. Ich habe Kinder mit Behinderungen betreut und Freizeiten mit körperlich und geistig beeinträchtigten Menschen begleitet. Ich habe für einen Altenpflegedienst Hausbesuche gemacht, um betagten und eingeschränkten Personen bei der Körperpflege und dem Abendbrot zu helfen. Ich habe mit sozial auffälligen Jugendlichen im Wohngruppenbereich gearbeitet und mich an den Wochenenden um meine eigene behinderte Schwester gekümmert. Ich wollte gerne Filmschaffende, Kötterin, Tischlerin, Illustratorin oder Innenarchitektin werden, auf jeden Fall nichts Soziales!

An der Uni Hamburg belegte ich Kurse für alles, was mich interessierte: Französische Kultur, Baustilkunde, kindliche Hirnentwicklung und schließlich auch Sprachwissenschaften. Hier nahm ich an einem Kurs für Phonetik teil und hörte dort, dass die Logopäden aus Sicht des Professors die einzig wahren Sprachexperten seien. Das war das erstemal, dass ich den Begriff Logopädie hörte. Am selben Tag besuchte ich ein Berufsbildungszentrum, um mehr darüber zu erfahren und ich musste nicht länger überlegen, was ich werden wollte.

Die Ausbildung am Werner-Otto-Institut war ein einziger Spaß – gut, es war auch ganz schön lernintensiv, aber ich fühlte mich so wohl mit dem, was ich da machte, dass mir die Paukerei ganz leicht fiel. Ende der 90er Jahre gab es noch nicht viel Therapiematerial zu kaufen. Es war ganz normal, dass wir neben der Theorie und den Methoden der Diagnostik und Behandlung auch lernten, zu zeichnen, zu basteln, zu kleben und zu folieren. Um unser ganzes mühsam und liebevoll selbst erstelltes Material vor der Zerstörung zu schützen, bestellten wir als Schülergruppe eine Wagenladung transparente Klebefolie zum günstigen Mengenrabatt. Ich habe heute noch davon.

Besonders stolz war ich damals auf meine colorierten Lautbefundkarten. Für jeden Artikulationsort eine eigene Farbe, Konsonantenverbindungen in orange. Auch Mundmotorik-Bilder als Clowns oder lustige Hunde machten in Kopie die Runde und wurden als heiße Ware gehandelt.

LingoBlog Lautbefundkarten als Therapiematerial

Bei der Abschlussfeier packte mich neben der Feierlichkeit auch schon das Bedauern und es beschlich mich das Gefühl der Enttäuschung. Ich wollte noch mehr lernen, noch mehr wissen und fühlte mich noch nicht gut genug gerüstet für mein Therapeuten-Dasein. Trotzdem wollte ich natürlich auch endlich richtiges Geld verdienen und so legte ich erstmal los. Sprachentwicklungsstörungen, Stimme und Stottern waren meine Schwerpunkte. Und ich lernte wahnsinnig viel, was uns in der Ausbildung nicht gesagt worden war. Zum Beispiel, dass es eine blöde Idee ist, ein Kind in der verspäteten Trotzphase zu fragen, ob es vielleicht ein Spiel spielen möchte, das man vorbereitet hat. Oder, dass es schwer ist, sich im Gespräch gegen Ärzte (ich gendere an dieser Stelle ausdrücklich nicht!) durchzusetzen, auch wenn man sich absolut sicher ist, dass man richtig liegt.

Ich zog von Hamburg nach Hannover, bekam erst einen Sohn, dann drei Jahre später eine Tochter und war fasziniert davon, jetzt live dabei sein zu können, wenn Kinder die Sprache entdecken. Ich dokumentierte viel und noch heute hören meine beiden Teenager noch gerne zu und lachen Tränen, wenn ich aus den Tagebüchern vorlese: Schildkröte=“Krötitte“, Koala=“Lalabär“, Lasagne=“Salagne“ usw. (Lasagne heißt bei uns übrigens bis heute „Salagne“ in der Familie).

Dann zogen wir als Familie nach Berlin. Meine Kinder waren 4 und 1 Jahr alt und natürlich wollte ich gern wieder anfangen zu arbeiten, wenn die Kleine 18 Monate alt wäre. So hatte ich es bei dem Großen auch gemacht. Ich ging also zum Jugendamt in Berlin und wollte einen KiTa-Schein abholen, damit ich mich nach einem Kinderladen für die beiden umsehen könnte. Sobald die beiden gut eingewöhnt wären, würde ich mich dann nach einer Stelle umsehen. Dachte ich. Aber das Jugendamt in Berlin sah das anders. Erst müsse ich einen Arbeitsvertrag vorweisen und dann erst könne ich einen KiTa-Schein haben, hörte ich da. Wie das gehen solle und wer mich denn ohne gesicherte Kinderbetreuung einstellen wolle, wollte ich wissen. Aber das Jugendamt blieb stur. Ich auch. Ich wurde zu einer Vermittlungsstelle geschickt für „schwierige Fälle“. Dort erfuhr ich, dass Studierende mit Einreichen der Immatrikulationsurkunde sofort eine Ganztagsplatzberechtigung erhalten würden, aber das träfe auf mich ja leider nicht zu oder ob ich mich irgendwo einschreiben lassen wolle?

Es rumorte in mir und ich überlegte, während die Kinder kletterten und sich gegenseitig mit Sand bewarfen, wie ich mich als Scheinstudentin in irgendeinem x-beliebigen Studiengang einschreiben lassen könnte, um arbeiten zu können, da traf mich ein Gedanke wie der Schlag. Zu Hause angekommen (es gab noch keine Smartphones oder Google Maps), recherchierte ich sofort, wie weit es von Berlin nach Potsdam wäre und der Plan war klar: Ich würde doch noch studieren – und zwar Patholinguistik in Potsdam! Mit 18 Wartesemestern (!)  wurde ich sofort in den N.C.-bewerteten Studiengang zugelassen und in der ersten Oktoberwoche sollte es losgehen. Damals ahnte ich noch nicht, dass dies der erste Schritt zur Gründung eines Start-ups sein sollte.

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